»Project Zomboid«: »Die Sims« in der Zombie-Apokalypse (2024)

  • X.com
  • Facebook
  • E-Mail
  • Messenger
  • WhatsApp
  • E-Mail
  • Messenger
  • WhatsApp

Dieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.

»This is how I died«, »So bin ich gestorben«: Das ist seit mehr als einem Jahrzehnt der Slogan eines höchst ambitionierten Videospielprojekts. Schon 2011 ließ sich das »ultimative Zombie-Survival-Rollenspiel«, wie seine Macher »Project Zomboid« bewerben, in Form einer ersten Alpha-Version direkt bei den Entwicklern kaufen und herunterladen.

Ab 2013 wurde das Spiel, das optisch an die Lebenssimulation »The Sims« erinnert, dann auch auf der Download-Plattform Steam angeboten, als sehr früher Vertreter des sogenannten Early-Access-Modells. Spielerinnen und Spieler können Games dabei bereits vor der Fertigstellung kaufen und ausprobieren; die Einnahmen aus jener Phase fließen in die weitere Entwicklung. Eine Garantie dafür, dass ein Early-Access-Spiel tatsächlich jemals fertig wird, gibt es nicht, dementsprechend skeptisch steht ein Teil der Spielerschaft diesem Vertriebsmodell gegenüber.

Eine derart lange Entwicklungsdauer wie bei »Project Zomboid« ist in der Gamingbranche für gewöhnlich ein Alarmsignal, und das nicht nur bei Early-Access-Spielen. Im Fall dieses Spiels eines kanadisch-britischen Indie-Studios, das zu Beginn aus gerade einmal vier jungen Männern bestand, ist das aber anders. Ständige Verkäufe auf solidem Niveau haben über die Jahre eine konsequente Weiterentwicklung von »Project Zomboid« möglich gemacht. Die Mischung aus absurd detailliertem Rollenspiel und Survival-Sandkiste hatte von Anfang an eine kleine, aber treue und stetig wachsende Fangemeinde gefunden, die sich hier eine faszinierende Frage wieder und wieder stellt: Wie würdest du dich in einer Zombie-Apokalypse schlagen?

Untot in der Reihenhaussiedlung

In »Project Zomboid« steuert man keinen strahlenden Helden, sondern einen normalen Menschen – schon das macht das Spiel interessant. Der Charaktereditor erlaubt differenzierte Figuren, die gewählten Vor- und Nachteile müssen einander die Waage halten. So darf man zum Beispiel als übergewichtiger und rauchender, dafür aber besonders geschickter Tischler in die Postapokalypse starten oder auch als fitte, zugleich klaustrophobische Köchin. Oder man entscheidet sich für einen analphabetischen Holzfäller mit geringem Schlafbedürfnis. Alle anderen Menschen der frei erforschbaren Spielwelt mit mehreren Kleinstädten und Siedlungen sind zu Zombies geworden, die auf den Straßen herumwanken oder in ihren Häusern und Wohnungen eingeschlossen sind.

Ein vom Spiel festgelegtes Ziel gibt es in »Project Zomboid« nicht, außer dem Überleben in einer Welt, die von Tag zu Tag ungemütlicher wird. Zu Beginn lagern in den verwaisten Häusern noch jede Menge Nahrungsmittel, Werkzeuge und Material. Doch für ein längeres Überleben reicht das nicht. Auch Strom und Wasser werden im Verlauf der ersten Spieltage abgestellt.

Ein Weg, am Leben zu bleiben, besteht im Befestigen einer möglichst zombiesicheren, verbarrikadierten Basis, die sich durch Anbau von Gemüse, Fischen oder gelegentliche Beutezüge selbst genügt. Alternativ kann man aber auch mit einem gekaperten Auto von Ort zu Ort reisen, um als Nomade seinem – unausweichlichen – Ende eine Zeit lang zu entkommen. Mehrere Schwierigkeitsgrade, ein flexibler Sandbox-Kreativmodus und jede Menge von der Community gelieferte Spielmodifikationen sorgen für ungewöhnlich viel Abwechslung.

»Project Zomboid«: »Die Sims« in der Zombie-Apokalypse (1)

Komplexitätswunder und Geschichtenmaschine

Was »Project Zomboid« von der Vielzahl anderer Videospiele mit ähnlichem Zombie-Setting unterscheidet, ist die Komplexität und Kleinteiligkeit seiner Simulation. Wie das inhaltlich ähnliche, nach Aussage der Entwickler das Spiel aber nicht direkt beeinflussende klassische Rogue-like »Cataclysm – Dark Days Ahead« bietet auch »Project Zomboid« mittlerweile jede Menge Möglichkeiten und Spielsysteme.

Der psychische und physische Zustand des Helden etwa wird bis hin zur Infektion kleiner und großer Wunden, Kalorienbedarf und Angstzuständen verwaltet. Eine Vielzahl von Skills ermöglicht das Kochen aufwendiger Gerichte, Holz- und Maurerarbeiten, aber auch Nähen, elektronische Basteleien, Landwirtschaft oder Autoreparaturen.

Diese Masse an Möglichkeiten und eine detailreich simulierte Welt machen »Project Zomboid« zu einer Geschichtenmaschine, in der jeder Spielversuch eigene Anekdoten generiert. Wie viele Sandbox-Spiele bietet »Project Zomboid« seinem Publikum eine Bühne, auf der sich für jede und jeden persönliche Abenteuer und aberwitzige Geschichten abspielen. Die sich so entwickelnde Handlung lebt von hohem Schwierigkeitsgrad, dem Zufallsfaktor und dem eigenen Ehrgeiz. Umso mehr, wenn im Multiplayer-Modus mehrere Spielerinnen und Spieler gemeinsam ums Überleben kämpfen.

Mit neuem Update zum Massenerfolg

Dieser Multiplayer-Modus ist einer der Hauptgründe für den aktuell kometenhaften Aufstieg des eigentlich steinalten Spiels. Die für Indie-Game-Verhältnisse respektable Zahl von durchschnittlich 4000 gleichzeitigen Spielerinnen und Spieler von »Project Zomboid« hat sich seit Anfang Dezember verzehnfacht. Im Januar wurde ein Rekord von 65.000 gleichzeitigen Spielerinnen und Spieler auf Steam erreicht.

Ein lang erwartetes Update brachte nicht nur neue Animationen, neue Spielsysteme und grafische Verbesserungen, sondern auch die Rückkehr des Mehrspielermodus, der eine Zeit lang aus dem Spiel verschwunden war. Das, und die Aufmerksamkeit einiger Twitch-Streamer mit Millionenpublikum, hat »Project Zomboid« zu einem der ersten Games-Phänomene des Spielejahrs 2022 gemacht.

Doch obwohl sich jetzt mehr Spielerinnen und Spieler denn je in der virtuellen Postapokalypse tummeln: Fertig ist »Project Zomboid« noch immer nicht. Es kann sein, dass es noch Monate oder vielleicht sogar Jahre dauern wird, bis die letzten versprochenen Spielelemente nachgeliefert werden. Als nächsten großen Update-Schritt nennt das Team die Einführung von Nicht-Spieler-Charakteren (NPCs).

»Project Zomboid«: »Die Sims« in der Zombie-Apokalypse (2024)

References

Top Articles
Latest Posts
Article information

Author: Fredrick Kertzmann

Last Updated:

Views: 5596

Rating: 4.6 / 5 (66 voted)

Reviews: 81% of readers found this page helpful

Author information

Name: Fredrick Kertzmann

Birthday: 2000-04-29

Address: Apt. 203 613 Huels Gateway, Ralphtown, LA 40204

Phone: +2135150832870

Job: Regional Design Producer

Hobby: Nordic skating, Lacemaking, Mountain biking, Rowing, Gardening, Water sports, role-playing games

Introduction: My name is Fredrick Kertzmann, I am a gleaming, encouraging, inexpensive, thankful, tender, quaint, precious person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.